10. Jahrestagung des Arbeitskreis Südasien in Freiburg

Gegründet 2011, feierte der Arbeitskreis während der diesjährigen Jahrestagung mit 32 Teilnehmenden sein 10. Jubiläum. Eingeladen hatten dieses Mal Gregor Falk und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom Institut für Geographie und ihrer Didaktik der PH Freiburg.

Auf dem Programm standen 14 Fachvorträge, die ein breites Spektrum der geographischen Forschung in Südasien abbildeten. Neben einem humangeographischem Schwerpunkt der Themen gab es zudem auch interdisziplinäre, physisch-geographische und fernerkundliche Beiträge.  

Bereits zum sechsten Mal wurde im Rahmen der Tagung auch der „Forschungspreis Südasien“ vergeben, mit dem jeweils eine herausragende Abschlussarbeit prämiert wird. In diesem Jahr wurde die Masterarbeit von Dagmar Brombierstäudl (Südasien-Institut Heidelberg, Abteilung Geographie) mit dem Titel „Zeitreihen zur Abschätzung von Vegetationsdynamiken: eine fernerkundliche Analyse am Beispiel des Langtang-Tals (Nepal)“ ausgezeichnet. Neben der Auszeichnung erhielt sie als Sachpreise einen Buchgutschein des Franz Steiner Verlags und ein Jahresabonnement der Geographischen Rundschau vom Westermann-Verlag. Der Arbeitskreis übernahm die Kosten für Anreise und Unterkunft, sodass Frau Brombierstäudl die Ergebnisse ihrer Forschung im Rahmen der Tagung selbst vorstellen konnte. Sie detektierte dabei anhand einer Zeitreihe von Landsat-Satellitenbildern die Folgen des Gorkha-Erdbebens 2015 im Langtang-Tal, das u.a. eine große Eis- und Schlammlawine vor Ort auslöste.

Anschließend an den Vortrag wurde in der Mitgliederversammlung über die Aktivitäten des AKs (u.a. ein geplantes, gemeinsames Themenheft in der Zeitschrift ASIEN und die kommenden Ausgaben der Schriftenreihe des AK) und organisatorische Aspekte (Umgestaltung der Homepage, Jahrestagung 2021 in Göttingen, Finanzen) diskutiert. Das Sprecherteam (Judith Müller, Heidelberg; Carsten Butsch, Köln; Alexander Follmann, Köln; Markus Keck, Göttingen) wurde zudem in seinem Amt bestätigt.

Die über zwei halbe Tage verteilten Sessions der Tagung waren überschreiben mit folgenden Titeln: Veränderungen in der Landwirtschaft,  Zugang zur Ressource Wasser, Risiken und Katastrophen in Städten, Arbeit im Wandel und Arbeit im informellen Sektor. Als erste Referentin stellte die Doktorandin Mehwish Zuberi (Eberswalde) ihre laufende Forschung zu Transformationsprozessen in der Landwirtschaft Pakistans vor. Mit einem Assemblage-Ansatz untersucht sie, welche Akteurinnen und Akteure, Technologien, Institutionen und Prozesse die landwirtschaftliche Produktion in der pakistanischen Provinz Punjab verändern. Daran anschließend berichtete der Nachwuchsgruppenleiter Michael Spies (Eberswalde) über die aktuellen Entwicklungen von chinesischen Investitionen im China-Pakistan Economic Corridor. Diese, auch innerhalb Pakistans, zum Teil sehr umstrittenen Projekte beeinflussen die Wirtschaftsstruktur des Landes zunehmend. Shantonu Abe (Köln) stellte Ergebnisse seines kurz vor dem Abschluss stehenden Promotionsprojektes zu biologischer Landwirtschaft im indischen Bundesstaat Westbengalen vor. Dabei zeigt er, dass das Konzept der biologischen Landwirtschaft von den Akteurinnen und Akteuren im lokalen Kontext mit eigenen Bedeutungen aufgeladen wird, die nicht zwangsläufig dem international gängigen Verständnis entsprechen.

Das Versagen der Biotechnologie war das Thema des Vortrags von Katharina Najork (Göttingen), die sich in ihrer Masterarbeit mit den Schäden durch den „Pink Bollworm“ befasste, die Baumwollfarmer im indischen Bundesstaat Telangana belasten. Die ursprünglich gegen diesen Schädling resistente, biotechnologisch erzeugte Baumwollvariante Bt-Cotton wird inzwischen wieder großflächig durch diese Mottenlarven geschädigt.

Im Anschluss daran stellte Amelie Bernzen (Vechta) ihre Untersuchung zur Ernährungssituation von Bauern in Bangladesch vor. Sie untersucht dabei, welche Faktoren die Ernährungssicherung der Bauern beeinflussen, wobei Aspekte wie angebaute Produkte, soziale Netzwerke, Qualität des bestellten Bodens, Anteil der Subsistenzwirtschaft etc. betrachtet werden. Als letzte Referentin vor der Mitgliederversammlung zeigte Judith Müller (Heidelberg) auf, welche Probleme sich für die Wasserversorgung durch die Urbanisierung in einem Hochgebirgsraum ergeben. Die Stadt Leh erfährt aufgrund des zunehmenden Tourismus derzeit ein rapides Wachstum, dem die Wasserver- und -entsorgung kaum gewachsen ist. Dies resultiert in einem sehr ungleichen Zugang zu der Ressource Wasser, wobei Gruppen mit höherem sozioökonomischem Status deutlich bessergestellt sind. Der zweite Tagungstag startete mit einem Vortrag von Theresa Zimmermann (Berlin), die ihr Dissertationsprojekt zum Thema Risiko- und Katastrophenmanagement in Mumbai präsentierte. Insbesondere Veränderungen der Risikogovernance seit dem Überschwemmungsereignis im Jahr 2005 stehen im Zentrum ihrer Forschung. Danach stellte Carsten Butsch (Köln) Zwischenergebnisse seiner laufenden Feldarbeiten in dem Projekt „H2O – Transformation to Sustainability“ vor, in dem er sich mit der Veränderung zum Zugang zu Wasser in periurbanen Räumen der Metropolen Pune, Hyderabad und Kolkata befasst. Diese beeinflussen die Erwerbsgrundlage von Bauern und anderen wasserbasierten Tätigkeiten. In einem gemeinsamen Vortrag zeigten Martin Maier und Charlotte Stirn (beide Heidelberg), welche unterschiedlichen Prozesse wahrscheinlich zur Anreicherung von Arsen im Trinkwasser in Bangladesch beitragen. Neben diesen physisch-geographischen Zusammenhängen, erforschen sie zudem, welche kostengünstigen Methoden der Wasseraufbereitung Arsenvergiftungen in der Bevölkerung in der Praxis verhindern können.

Die Auswirkungen für die Fahrer von Taxis und Rikschas in Mumbai durch den Markteintritt von Uber und Ola untersucht derzeit Tobias Kuttler (München). Er befasst sich mit der Transformation des Nahverkehrs und den alltäglichen Praktiken der Fahrer. Miriam Wenner stellte ihre Forschungen zu Teekooperativen in Nepal aus einer moralökonomischen Perspektive vor. Dabei geht sie unter anderem der Frage nach, welche Rolle Werte für das Funktionieren von Genossenschaften spielen.

In der letzten Session, präsentierte Susanne Schultz (Frankfurt) die Ergebnisse ihrer Dissertation zu Street Food-Verkäufern in Hyderabad. Eine umfassende gesetzliche Neureglung im Jahr 2014 sollte den Straßenhandel umstrukturieren, doch diese Regelungen zeigen bisher kaum Wirkung, sodass es weiterhin einen großen informellen Sektor in diesem Bereich gibt. Nicolas Schlitz (Graz) stellte Ergebnisse seiner Forschung zu Plastikrecycling in Kolkata vor. Vor dem Hintergrund der Gefahr giftiger Stoffe in den Materialien sowie Veränderungen im Müllsektor der Stadt, die zu einer zunehmenden Erschwerung des informellen Müllsammelns führen, diskutierte er die Frage der Umweltgerechtigkeit innerhalb der Stadt und entlang der Wertschöpfungskette.

Wie auch in den vergangenen Jahren werden extended abstracts der Vorträge in einem Sammelband in der Schriftenreihe Geographien Südasiens bei CrossAsia eBooks erscheinen. Über diese Plattform wird auch die prämierte Masterarbeit von Dagmar Brombierstäudl veröffentlicht. Alle bisher erschienen Bände sind als open access Publikationen auf der Internetseite von CrossAsia eBooks abrufbar.

Judith Müller & Alexander Follmann (für das Sprecherteam des AK Südasien)

Teilnehmerinnen und Teilnehmer der 10. Jahrestagung 2020 in Freiburg

Vorträge

VORTRAG PREISTRÄGERIN

  • Zeitreihen zur Abschätzung von Vegetationsdynamiken: eine fernerkundliche Analyse am Beispiel des Langtang-Tals (Nepal)
    Dagmar Brombierstäudl

VERÄNDERUNGEN IN DER LANDWIRTSCHAFT

  • Agriculture in flux: Insights into historical agricultural transformations and possible scenarios
    Mehwish Zuberi
  • ‚Land grabbing‘ oder Modernisierungsversprechen? Erwartungen an den China-Pakistan Economic Corridor für landwirtschaftliche Entwicklungen in Pakistan
    Michael Spies
  • Organic Assemblages in West Bengal, India: Smallholder Perspectives
    Shantonu Abe
  • From blessing to curse? The return of pink bollworm and its impacts on the livelihoods of Bt-cotton farmers in Telangana, India
    Katharina Najork & Markus Keck
  • Diversify? Produce or buy? What contributes to household dietary diversity in shrimp and agriculture zones of coastal Bangladesh?
    Amelie Bernzen & Ellen Mangnus

ZUGANG ZUR RESSOURCE WASSER

  • Urbane waterscapes im Hochgebirge – eine integrative Analyse in Leh, Ladakh
    Judith Müller
  • Werkstattbericht: Zugang zu Wasser in periurbanen Räumen Indiens
    Carsten Butsch
  • Arsen im Trinkwasser in Bangladesch: Ursachen und Maßnahmen
    Dr. Martin Maier & Charlotte Stir

RISIKEN UND KATASTROPHEN IN STÄDTEN

  • „Towards the governmentality of risks and disasters? Urban floods and their mitigation in Mumbai“ 
    Theresa Zimmermann

ARBEIT IM WANDEL

  • Beständigkeit und Wandel im Beruf des (Taxi-) Fahrers in Zeiten von Uber und Co – ein Blick nach Mumbai
    Tobias Kuttler
  • Eine neue Geographie der Moral? Alternative Ökonomien in Indiens und Nepals Teekooperativen
    Miriam Wenner

ARBEIT IM INFORMELLEN SEKTOR

  • Alltägliche Aushandlungsprozesse um Raum und Zeit von Straßenhändlern am Beispiel Hyderabad, Indien
    Susanne Schultz
  • Umweltgerechtigkeit und die informellen Recyclingökonomien Kalkuttas
    Nikolas Schlitz